„Kölns wilder Westen“: Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) in Frechen

Veröffentlicht: Sonntag, 13. März 2016

Frechen. Am 3. März 2016 nahmen Mitglieder des Bertram-Wieland-Archiv für die Geschichte der Arbeiterbewegung e.V. an einem Vortrag von Dr. Jochen Menge teil. Thema: „Frechens Kommunisten“. Die Veranstaltung fand in Kooperation des Stadtarchives der Stadt Frechen und der Volkshochschule Frechen statt, die sich ein Gebäude nahe des Rathauses teilen. Mit mehr als 50 Zuhörerinnen und Zuhörern war der Vortrag erstaunlich gut besucht, fristet doch die Geschichte der Arbeiterbewegung – und hier insbesondere die des kommunistischen Flügels – eher ein Nischendasein in der öffentlichen Wahrnehmung. Möglicherweise war gerade dies der Grund für den großen Publikumszuspruch.

Jochen Menge berichtete zu Beginn seines Vortrags über einen Zufallsfund 2003 in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen in Oranienburg bei Berlin. Bei Abbrucharbeiten wurde dort zufällig eine eingemauerte Flasche mit einer Botschaft entdeckt. Diese stammte aus der Feder des Frechener Kommunisten Anton Engermann, der die Botschaft 1944 verfasst hatte. Engermann befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit elf Jahren in Nazi-Haft. Ausgehend von dieser „Anekdote“ entwickelte der Referent die Geschichte der Frechener KPD in chronologischer Folge und anhand der Biografien von fünf Frechener Kommunisten (auf die in diesem Bericht nicht im einzelnen eingegangen werden kann):

Die Gründung einer Ortsgruppe der VKPD (Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands, wie die KPD für kurze Zeit hieß) erfolgte im Januar 1921. Bei der Kreistagswahl im gleichen Jahr zog die VKPD in den Kreistag des Landkreises Köln ein. Einer der gewählten war Christian Utzerath, der eine zentrale Rolle in der Frechener KPD spielen sollte. Utzerath war Braunkohlen-Bergarbeiter, Obmann der Grube Sybilla bei Frechen, Vorsitzender der Ortsgruppe Frechen der (V)KPD. Frechen war eine Hochburg der KPD im Landkreis Köln. Zu den ersten Aktionen der KPD gehörte unter anderem der Kampf gegen Preissteigerungen – hierzu wurde ein „Kontrollausschuss“ gewählt, der aber vom Stadtrat nicht anerkannt wurde. In der Gemeinderatssitzung vom 9. November 1922 saßen 40 Kommunisten im Zuhörerraum der Ratssitzung sorgten für Tumult. In der Folge kam es zu „Hungerunruhen“ und Plünderungen in Frechen.

1924 fand von Januar bis März ein großer, achtwöchiger Streik im rheinischen Braunkohlenrevier statt, bei dem auch die Frechener KPD eine tragende Rolle spielte. Bei dem Versuch, das Elektrokraftwerk Goldenberg in Hürth zu besetzen, wurden zwei Arbeiter von der Polizei erschossen. Zu ihrer Beerdigung kamen 30.000 Menschen.

Bei den Wahlen zur Zeit der Weimarer Republik war die Frechener KPD stets überdurchschnittlich erfolgreich: Bei der Reichstagswahl 1924 in Frechen sank die Zahl der SPD Stimmen von zuvor 33,8 Prozent (1920) auf 12 Prozent (die KPD war 1920 nicht angetreten). Die KPD erhielt in Frechen 29 Prozent, im Ortsteil Bachem wurde sie stärkste Partei. In Frechen erhielt die KPD auch in den Folgejahren jeweils etwa doppelt soviele Stimmen wie im Reichsdurchschnitt. 1926 saß die KPD in Frechen mit fünf Vertreter/innen im Gemeinderat: Jakob Schlösser, Johann Bürger, Elisabeth Schiefer, Christian Utzerath und Fritz Heidbüchel. Der bereits eingangs erwähnte Utzerath wurde 1927 wegen „parteischädigenden Verhaltens“ aus der KPD ausgeschlossen.

Ein weiterer Frechener Kommunist, Michael Sommer, geboren in Seelsdorf bei Gleuel, emigrierte im Herbst 1931 in die Sowjetunion. Ein Jahr später erschien in der „Sozialistischen Republik“ (der KPD-Zeitung für Köln und das Kölner Umland) ein von ihm verfasster Artikel. Sommer berichtete über die Situation in Donezk (Ukraine). Er schrieb von fünf Wochen Urlaub für die Arbeiter und machte sich  über die Behauptung lustig, er sei von der Geheimpolizei erschossen worden. Am 5. Mai 1937 wurde Michael Sommer wegen des Vorwurfs einer „trotzkistischen Verschwörung“ tatsächlich erschossen. Drei seiner Kinder kamen in Lagern der Geheimpolizei GPU um. Seine Frau und eines seiner Kinder überlebten.

Widerstand und Verfolgung

Verhaftete Kommunisten vor dem Frechener Rathaus. (Foto: Kreisarchiv des Rhein-Erft-Kreises, eingeblendet aus einem Beitrag des KStA)

Am 30. Januar 1933 kam es in Frechen zu einem spontanen Angriff von 50 Kommunisten auf die Geschäftsstelle der NSDAP in der Hüchelner Straße. Am 1. März 1933 wurden 27 Kommunisten durch die Nazis verhaftet. Der Frechener Polizeichef Anton Joseph Weyer übergab die Kommunisten einem SS-Sturmführer zum Spezialverhör. Die SS fühlte sich bei der Verfolgung der Kommunisten an keine Regeln gebunden. Heinrich Bühr und Johann Bürger wurden so zugerichtet, dass Lebensgefahr bestand. Um den Tod abzuwenden, wurden sie ins Polizeikrankenhaus nach Düsseldorf-Derendorf gebracht. Heinrich Bühr ist dort am 25.07.1933 an seinen Verletzungen gestorben. Er wurde regelrecht zu Tode getreten. Sein Tod ist in dem Buch „Tatort Steinzeugofen“ von Franz-Joseph Kiegelmann beschrieben.

Johann Bürger überlebte die Nazi-Zeit. 1945 war bei der Neugründung der Frechener KPD dabei. Von Juli 1946 bis 1952 war er stellvertretender Landrat und engagierte sich als Vorsitzender der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) im Landkreis Köln. 1958 ging er als Sekretär der IG Bergbau in den Ruhestand. Bürger wurde 1964 Mitglied der SPD und ist im Jahr 1974 verstorben.

Jochen Menge verwies darauf, dass heute kaum etwas an die lebendige Geschichte der KPD in Frechen und deren Mitglieder erinnere. Er schloß mit den Worten: „Die Frechener Kommunisten verdienen, dass wir uns ihrer mit Respekt erinnern.“ (dc/lb)

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