Reichstagsbrand vor 85 Jahren: Kommunisten gehörten auch im Kreis Düren zu den ersten Verfolgten der Nazis

Veröffentlicht: Dienstag, 27. Februar 2018

Kreis Düren. Vor 85 Jahren brannte der Reichstag in Berlin. Die Nazis nutzten die Brandstiftung um den Terror gegen ihre politischen Gegner auch in der Dürener Region weiter zu verschärfen und zu legitimieren. Das Bertram-Wieland-Archiv für die Geschichte der Arbeiterbewegung e.V. erinnert an die Verfolgten aus Düren und Umgebung.

Am Abend des 27. Februar 1933, wenige Minuten nach 21 Uhr, stand das Parlamentsgebäude in Berlin in Flammen. Kurze Zeit später eilten Nazi-Größen, darunter Hitler, an den Brandort. Dieser beschuldigte die Kommunisten der Brandstiftung – das Feuer sei ein Signal für einen geplanten kommunistischen Aufstand. Noch in der Nacht setzte die massive Verfolgung von Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen Demokraten ein. Allein in Berlin wurden 1500 Personen verhaftet.

 

Kurz vor Mitternacht erreichte die Polizeiwache in Düren ein Anruf der Landeskriminalpolizeistelle in Aachen. Mündlich wurde ein Funkspruch aus Berlin durchgeben. Angeordnet wurde die Beschlagnahme von Zeitungen und Zeitschriften, Flugblättern und Plakaten von KPD und SPD sowie überraschende Hausdurchsuchungen bei kommunistischen Funktionären. Die am Folgetag erlassene „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ („Reichstagsbrandverordnung“) setzte die in der Weimarer Verfassung verankerten Bürgerrechte außer Kraft. Demokratischen Grundrechte wie das Recht auf persönliche Freiheit, das Recht der freien Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, das Vereins- und Versammlungsrecht, das Brief-, Post- und Telefongeheimnis wurden aufgehoben. „Den Reichstagsbrand nutzten die Nazis als Vorwand, um die Repression gegen die Opposition auf eine scheinbar formal legale Basis zu stellen. Der Erlass der sogenannten Reichstagsbrandverordnung hatte auch in unserer Region unmittelbare Folgen“, sagt D. Clemens vom Bertram-Wieland-Archiv. Noch am gleichen Tag wurden in Düren und Birkesdorf mindestens 17 führende Kommunisten in „Schutzhaft“ genommen und ihre Wohnungen durchsucht.

In den darauf folgenden Wochen erhöhte sich die Zahl der „Schutzhaftgefangenen“ im Kreis Düren, betroffen waren überwiegend Angehörige der KPD, auf nahezu 100 Personen. Die meisten Verhafteten wurden nach einigen Wochen oder Monaten wieder entlassen, doch manche überlebten die Nazizeit nicht. So etwa der Glasmacher und Metallarbeiter Franz-Nikolaus Hasert, zeitweise Vorsitzender der Dürener KPD. Er starb im Oktober 1941 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Der Kommunalpolitiker Johann Reins saß für die KPD im Kreistag an und war 1929/1930 Stadtverordneter in Düren. Der Bauarbeiter starb im Februar 1945 im Konzentrationslager Buchenwald. Auch der Birkesdorfer Ludwig Henzig überlebte die Nazizeit nicht. Er wurde Anfang 1944 im in der Nähe von Nürnberg gelegenen Konzentrationslager Flossenbürg ermordet. An die drei Genannten erinnern an ihren letzten Wohnsitzen in Düren „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig.

Das Bertram-Wieland-Archiv hat die Namen von rund 100 Menschen aus der Dürener Region recherchiert, die in den Tagen und Wochen nach dem Reichstagsbrand in „Schutzhaft“ genommen wurden. „Wir wollen an diese Menschen erinnern und ihre Biografien zusammentragen“, erläutert H. Krüger. Der Geschichtsverein hoffe, dass sich Nachfahren melden, die weitere Auskunft über die Lebenswege der Betroffenen geben können. Die Namen sind im Internet unter www.bertram-wieland-archiv.de veröffentlicht. Seit dem Jahr 2015 arbeitet der Verein mit Sitz in Düren zur Geschichte der lokalen und regionalen Arbeiterbewegung und zu den Themen Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus.


Der Reichstagsbrand in der Geschichtsforschung

Die Nazis beschuldigten Marinus van der Lubbe, einen linken niederländischen Arbeiter, der Brandstiftung. Die Exil-KPD veröffentlichte im August 1933 das „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“, um zu belegen, dass der Brand durch die Nazis entfacht worden sei. In der westdeutschen Geschichtsforschung wurde in den 1960er-Jahren die These der Alleintäterschaft van der Lubbes formuliert. Der US-amerikanische Historiker Benjamin Carter Hett hat 2014 eine vielbeachtete Studie zum Reichstagsbrand vorgelegt, die 2016 unter dem Titel „Der Reichstagsbrand. Wiederaufnahme eines Verfahrens“ (Rowohlt Verlag) in deutscher Sprache erschienen ist. Hett schließt die Möglichkeit einer Alleintäterschaft van der Lubbes mit einem „hohen Grad an Wahrscheinlichkeit“ aus. Die Täter seien hingegen wahrscheinlich in einer Gruppe von SA-Männern zu finden, die zuvor diverse Propaganda-Aktionen für Joseph Goebbels ausgeführt hatten. Unbestritten in der Forschung ist, dass die „Reichstagsbrandverordnung“ eine Etappe bei der Errichtung und Festigung der Nazidiktatur war.


Die Verhafteten aus Düren und Birkesdorf vom 28. Februar 1933

Am 28. Februar 1933 wurden mindestens 17 Angehörige der KPD aus Düren und der damals selbstständigen Gemeinde Birkesdorf verhaftet. Bis in den Sommerl stieg der Zahl der Verhafteten aus dem Kreisgebiet auf fast 100.

Verfolgte aus Düren waren:

Beuth, Peter

Braun Michael

Braunleder, Wilhelm

Eichler, Max

Hasert, Franz-Nikolaus

Hering, Paul

Kerres, Matthias

Köpke, Fritz

Neumann, Albert

Reins, Johann

Stauf, Otto

Stoffels, Hermann

 

Aus Birkesdorf:

Henzig, Ludwig

Rankers, Hubert

Röder, Josef

Schlossmacher, Josef

Wiskozil, Wenzel


Dokument - Funkspruch an die Landeskriminalpolizeistelle Aachen

Aufgenommen bei der Polizeihauptwache in Düren.

Um 2.10 von der L.K.P. Stelle Aachen telef. Durchgegeben 27.2.33 – 23.33 Uhr.

Funkspruch.

Dringend Berlin, I 171.

An alle Polizeibehörden und höheren Polizeiführer i.W. in Recklinghausen.

Betrifft: Reichstagsbrandstiftung und erhöhte Aktivitäten der KPD.

 1. Sämtliche periodischen Druckschriften und Flugblätter der KPD beschlagnahmen und verbieten,

 2. Sämtliche KPD periodischen Druckschriften beschlagnahmen und verbieten.Die Oberpräsidenten haben die verbotenen Maßnahmen mit den hochverräterischen Maßnahmen der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts zu begründen. Bezugnahme auf die Anordnung nicht zulässig

3. Erhöhte Aktivitäten der KPD erfordern verstärkte Streifentätigkeit und Heranziehung von Hilfspolizei und örtliche Alarmbereitschaften. Die Bereitschaftsstellen üben überraschend gründliche Durchsuchungsaktionen bei allen KPD Funktionären.

4. Die SPD Plakate, Flugblätter und periodischen Druckschriften beschlagnahmen.

Dieser Funkspruch ist heute Nacht allen Behörden-Chefs vorzulegen.

MDI I.


Zum Thema siehe auch:  Vor 85 Jahren: „Schutzhaft“ für Nazigegner aus der Region Düren (Beitrag vom 25.02.2018)

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